Es war auf der Rückfahrt nach dem Spiel in Leverkusen. Der Glubb verlor 0:3, das Spiel gab wenig Anlass zur Hoffnung und trotzdem spielten sich im Gästeblock außergewöhnliche Momente ab. Man hätte allen Grund gehabt, gefrustet zu sein, zu zweifeln, doch das das Gegenteil war der Fall: aus irgendeinem Grund war jeder froh, hier zu stehen – nicht anteilnahmslos, sondern emotionalisiert. Man sah erwachsene Menschen mit Tränen in den Augen, viele anderen flüchteten sich in Gesänge. Keine Schlachtrufe, sondern Bekenntnisse an unseren Verein. Es war eben doch nicht „irgendein Grund“, warum man froh war, in der rot-schwarzen Kurve zu stehen. Er dürfte für Außenstehende nur völlig unerklärlich sein. Manchmal weiß man ja selbst nicht, warum, man weiß nur, dass… – und das genügt.
Auf dem Fußmarsch zurück zu den Bussen und später auf der Autobahn in den Bussen drehten sich die Gedanken natürlich um die Zukunft des Vereins. Freilich, jedem war sofort klar, dass es auch nach einem Abstieg weitergehen würde. Aber irgendwie langte einem diese, eigentlich doch beruhigende Gewissheit nicht. Man wollte sich schlicht und ergreifend nicht damit abfinden, das Schicksal nur zu ertragen. Man wollte es selbst in die Hand nehmen. Und man wollte allen anderen Glubbfans, die dieselben Leiden und Zweifel hatten, ein gutes Gefühl geben. Man wollte das ausdrücken, was jeder fühlte. Ein gemeinsames und lautes Bekenntnis musste her. Eine Kampagne.
Das Motto war schnell gefunden, denn schon länger kreisten diese fünf Worte im Kosmos der Nordkurve, ohne dass sie zu einem großen Aufhänger gemacht wurden. Selbst eine Zaunfahne existierte bereits. Aber auch akustisch galt es, dieses Gefühl in das Stadion zu bringen. Noch auf der selben Fahrt wurde das Lied gedichtet, welches später von Martin Meinzer eingesungen wurde und viele Glubbfans im Herzen berührte.
Gegen Mainz stellte der FCN den Sieglos-Startrekord der Bundesliga ein – hätte es ein anderes Spiel für den „inoffiziellen Start“ der Kampagne geben können? Es war eines dieser Spiele, wo man verzweifelt. Klar überlegen, Aluminiumtreffer und zum Schluss auch noch die Führung verspielt. Das Wetter passte sich der Laune an. Schneegestöber, Minusgrade, doch in der Kurve hing ein Transparent, welches leise Hoffnung gab.
Weitere Gedanken reiften in den folgenden Tagen aus, die Idee einer Kampagne sollte umgesetzt werden. Noch vor dem Spiel in Hannover setzte man den Verein darüber in Kenntnis, verbunden mit der Bitte diese Kampagne ebenfalls mitzutragen, weil es ausschließlich den einen großen, übergreifenden Schulterschluss geben sollte. Für den Verein dürfte dieser Vorschlag völlig unerwartet gekommen sein. Das Verhältnis zwischen Verantwortlichen und Fans war zu dieser Zeit alles andere als gut und sportlich gab es überhaupt gar keinen Grund Mannschaft/Verein Vertrauen und Rückhalt auszusprechen. Doch das Glubb-Herz gab diesen Weg vor. Zu viel hatte man mit diesem Verein schon erlebt, positiv wie negativ, um nicht zu wissen, dass es der FCN, dass WIR es, noch schaffen könnten!
Der offizielle Start sollte jedoch erst nach der Winterpause erfolgen, zuvor sollten innerhalb der Fanszene Gespräche anstehen, um diesen Weg gemeinsam zu bestreiten. Zu oft schon wurden in der Vergangenheit Entscheidungen getroffen, die nicht unbedingt falsch waren, aber nicht von allen getragen wurden. Dies sollte vermieden werden. Es folgte das Spiel in Hannover und wer mit Schlusspfiff dachte, dass dies ein Niederschlag war, der irrte sich gewaltig. In zu vielen Herzen schlummerten bereits die fünf Buchstaben, die nur darauf warteten, geweckt zu werden. Der Geist der Kampagne war bereits bei vielen Glubbfans zu spüren, er war immer da. Und man stand auf.
Kurz vor dem Spiel gegen Hoffendem wurden die Geister schließlich geweckt hat und nach einem großen Fantreffen die Kampagne öffentlich vorgestellt. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Nachricht, das große Banner zum Intro sprach den Glubbfans aus der Seele und am Ende des Tages wurde man mit einem grandiosen 4:0-Erfolg belohnt. Jeder sah nun, was möglich ist, wenn wir als Glubb-Familie an einem Strang ziehen. Vom Spieler bis hin zum Fan – alle waren und sind seither Teil dieser Bewegung. Man war weg vom Image „Der Glubb is a Depp“, sondern war sich bewusst „oba iech moch nern“!
Viele Aktionen wurden seitdem von Fans für Fans, von Fans für Verein und von Verein für Fans auf die Beine gestellt. Bierdeckel verteilt, Postkarten verschickt, Kondome benutzt, Spielankündigungsplakate gedruckt, Aufkleber geklebt, Ideen gesammelt – und jeder macht mit. Am Fan-Container bilden sich endlose Schlangen, um Artikel wie T-Shirts, Schals oder Schlüsselbänder zu ergattern (wir haben übrigens erneut nachbestellt), stündlich gehen neue Emails ein und im Social-Media posten über 10.000 User Bilder, liken und kommentieren. Eine besondere Aktion gab es gegen Braunschweig, als ein Cafe Krapfen sponsorte, dessen Spendenerlös „Hilfe für Anja“ zugute kam. Einfach großartig! Daneben glühen die Nadeln der Tätowierer sowie der Nürnberger Häkelmafia und auch auf dem Ya Basta-Blog!, der regelmäßig über die Aktivitäten berichtet, merkt man die Begeisterung. Die Besucherzahlen waren Mitte Februar bereits höher als in sämtlichen (Skandal-) Monaten davor. Dabei bereitet doch sonst immer die schlechte Presse hohe Zahlen? Nicht so bei dieser Kampagne und auch einige Medien haben das bereits erkannt. Andere Medien – und eine kritische Anmerkung sei auch in diesem Text erlaubt – leider gar nicht. Exemplarisch sei hier der Kicker genannt. Aber in welche Rubrik hätte ein Artikel über die Kampagne auch publiziert werden können, wenn man ansonsten immer nur in der Rubrik „Fan-Problematik“ über die Anhänger berichtet? Dagegen war selbst einem griechischen Fachblatt die Kampagne direkt nach dem Hoffenheim-Spiel einen Text in der Printausgabe wert. Das klingt erstmal ein bisschen schade, im Grunde kann es uns aber auch scheiß egal sein. Was derzeit in Nürnberg passiert, erfüllt uns alle mit Stolz. Es ist einmalig und es genügt vollkommen, wenn wir das wissen und uns bewahren!
… auch wenn es diese Saison noch weitere Rückschläge geben sollte! Oder irgendwann.
Ich bereue diese Liebe nicht!